Samstag, 14. Juni 2008

Dollarabsturz und Weltwährungsschlacht


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Die USA flüchten aus ihrem Schuldendebakel in immer neue militärische Abenteuer
Von Jürgen Elsässer
Der Wechselkurs der US-amerikanischen Währung fällt und fällt – und analog steigen der Goldpreis und die Gefahren militärischer Zuspitzungen.
Der deutsche Goldschatz liegt tief in den Felsen der Halbinsel Manhattan, 24 Meter unter den Straßen New Yorks. Dort verwahrt die Federal Reserve Bank den größten Teil des Goldschatzes der Bundesbank und sechzig weiterer Zentralbanken sowie der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich in einem gigantischen Tresor: der Mantel des Stahlzylinders ist drei Meter dick und wiegt 82 Tonnen. Während des Zweiten Weltkrieges wanderten fast neunzig Prozent der Weltvorräte des gelben Edelmetalls in die USA, im Ausgleich gegen Rüstungslieferungen. Seit den fünfziger Jahren erwirtschaftete die Bundesrepublik einen Überschuss im Außenhandel mit den USA, und im Gegenzug war ein Teil des Goldschatzes wieder in deutschen Besitz übergegangen. Doch anstatt die Barren umständlich über den Atlantik zurück zu transportieren, verblieb das deutsche Gold an Ort und Stelle, wenn auch in einem separaten Käfig, an dem der Bundesadler prangt.
In schöner Regelmäßigkeit plädieren deutsche Finanzminister dafür, zur Stopfung ihrer Haushaltslöcher einen Teil des Goldschatzes zu verkaufen. Der CDU-Mann Theo Waigel hat damit angefangen, seine SPD-Nachfolger Hans Eichel und jüngst Peer Steinbrück haben den Ball aufgegriffen. Bisher hat die Bundesbank diese Vorstöße allesamt geblockt. Gott sei dank, wie man im Lichte der derzeitigen Götterdämmerung des Papiergeld-Kapitalismus sagen muss.
Seit etwa einem Jahr hat sich die Weltwirtschaftskrise rasant verschärft. Dies lässt sich ablesen an den wichtigsten Kennziffern: Der Ölpreis sprang glatt von etwa 60 auf 130 Dollar pro Fass; statt 1,30 Dollar müssen jetzt 1,60 Dollar für den Euro bezahlt werden; der Goldpreis stieg von etwa 650 Dollar auf 900 Dollar pro Feinunze.
Seit Spätsommer 2007 mussten die internationalen Großbanken eine halbe Billion US-Dollar an Verlusten abschreiben, etwa die doppelte Summe pumpten die Zentralbanken als Liquiditätsspritze in den Geldumlauf. Da niemand mehr den Papierwerten traut, setzt eine Jagd auf die stofflichen Reichtümer ein, nicht zuletzt auf die Nahrungsmittel. Hungerrevolten brechen aus.
Marx' Werttheorie
Grundlage der gefährlichen Entwicklung ist die Zerstörung oder besser Selbstzerstörung des ökonomischen Fundaments des Kapitalismus, des Ware-Geld-Verhältnisses.
In der Frühphase der neuen Wirtschaftsordnung funktionierte alles so, wie es sein sollte: In der Zeit des internationalen Goldstandards (von den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts bis zum Ersten Weltkrieg) tauschten sich die Währungen nach dem jeweiligen Goldanteil aus: Das britische Pfund bestand aus etwa zwanzig Mal mehr, der US-Dollar etwa vier Mal mehr Gold als die Reichsmark, entsprechend war der Wechselkurs 1:20 beziehungsweise 1:4. Da Banknoten nur als Ersatz für goldhaltige Münzen in Umlauf kamen, war die Erhöhung der Geldmenge an größere Goldzufuhr gekoppelt.
Damit war der Wertlehre der klassischen Ökonomie Genüge getan: Nach der Theorie von Adam Smith ist »Arbeit das ursprüngliche Geld, womit alle Waren gekauft werden.« Karl Marx formulierte in den »Grundrissen«, an Smith anknüpfend: »Das Geld ist die Arbeitszeit als allgemeine Ware.« Das nicht-oxidierende Edelmetall war ideal, um das Geld auf die Arbeitszeit zu beziehen: Da es keine chemischen Verbindungen eingeht und zwar selten, dann aber relativ oft oberirdisch vorkommt, war »für seine erste Auffindung nur rough labour, weder Wissenschaft noch entwickelte Produktionsinstrumente erforderlich« (Marx). Die Menge des weltweit geförderten Goldes entsprach ziemlich genau der aufgewendeten »rough labour« – daran hat sich bis heute kaum etwas geändert. Hätte man den Wert der Währungen nicht an Gold, sondern beispielsweise an Stahl gekoppelt, wäre das anders gewesen: Durch moderne Technik lässt sich seit hundert Jahren die Stahlproduktion beständig steigern, während die aufgewendete Arbeitszeit sinkt. 1914 brach der Goldstandard international zusammen, da zur Finanzierung der Kriegsanstrengungen alle Staaten die Notenpressen anlaufen ließen.
Keynes Flucht nach vorn
Aus dieser Not machte der britische Ökonom John Meynard Keynes in seinen theoretischen Ausarbeitungen eine Tugend. Er war der erste Ökonom, der in der Golddeckung der Währungen ein „barbarisches Überbleibsel“ sah. Auf drei Sätze gebracht lautet seine tragende Idee: In marktwirtschaftlichen Systemen gibt es aus strukturellen Gründen eine Nachfragelücke, die für die Arbeitslosigkeit verantwortlich ist. Diese Nachfragelücke muss geschlossen werden, indem die Regierung über Fiskal- und Zinspolitik Industrie und Privathaushalten billiges Geld zur Verfügung stellt, notfalls mittels Staatskonsum die Konjunktur stimuliert. Erhöhung der Geldzirkulation und Staatsverschuldung (»Deficit spending«) sind hierfür obligatorisch.
Die scheinbare Realitätstüchtigkeit von Keynes' Vorschlägen zeigte sich in der Depression der dreißiger Jahre: Die führenden Ökonomen empfahlen den Regierungen, abzuwarten und ihre öffentlichen Ausgaben zu beschneiden. Das hieß: Der Staat solle sparen wie ein Tante-Emma-Laden, der in Zeiten guter Geschäfte Investitionen tätigt und in schlechten Zeiten darauf verzichtet. Nur so ließen sich die Defizite in den öffentlichen Haushalten begrenzen – andernfalls drohe der Staatsbankrott. In Deutschland setzte Reichskanzler Brüning diese Ratschläge mit Notverordnungen gegen das Parlament durch. Die Geldmenge schrumpfte – die Bankeinlagen sanken 1931 um 17 und 1932 um weitere sieben Prozent, der Bargeldumlauf sank 1932 um 15 Prozent – der Wechselkurs der Reichsmark explodierte, die Arbeitslosigkeit auch. Keynes forderte von der britischen Regierung 1929 das Gegenteil: Sie solle sich bei den Banken pro Jahr hundert Millionen Pfund leihen und damit Jobs für eine halbe Million Arbeitslose schaffen.
Keynes blitzte ab. Seine Ideen setzten sich dennoch durch, wenn auch ohne seine Mitwirkung: Sowohl der New Deal in den USA der dreißiger Jahre wie die NS-Wirtschaftspolitik fußten auf Staatsverschuldung und darüber finanzierten Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, also auf den Prinzipien, denen Keynes 1936 in seiner »General Theory« eine allgemeingültige Fassung gab. In den USA wurde dazu die Notenpresse in Gang gesetzt, in Deutschland fiktive Firmen wie die »Deutsche Gesellschaft für öffentliche Arbeiten« (Öffa) und die »Metallurgische Forschungsgemeinschaft« (MeFo) gegründet, auf deren Namen Wechsel ausgegeben wurden. Bereits 1936 erreichte das US-Haushaltsdefizit 4,6 Milliarden Dollar oder 50 Prozent der Bundesausgaben, die Schulden der Staaten und Gemeinden nicht mitgerechnet. In Deutschland wurden seit 1936 überhaupt keine Haushaltspläne und keine Bilanzen über die Reichsschuld mehr veröffentlicht: Die Gesamtsumme der MeFo-Wechsel war bereits auf über 40 Milliarden Reichsmark gestiegen. Der Übergang zur Defizitfinanzierung bedeutete in den jeweiligen Ländern die endgültige Abschaffung des Goldstandards – und führte zwingend in den Weltkrieg.
Die aufgeblähte Geldmenge in Nazi-Deutschland führte nämlich nur deswegen nicht zu einer Mega-Inflation, da sie mit den zusammengeraubten Werten aus den überfallenen Ländern – Goldreserven, Rohstoffe, Arbeitssklaven – unterfüttert wurde. Als am 8. Mai 1945 der grausige Spuk zu Ende war, explodierte die vorher politisch-militärisch zurückgestaute Inflation. Dass dieser Zusammenhang zwischen Deficit spending und Krieg auch für die USA galt, ist weniger bekannt: Zwar sank dort die Arbeitslosigkeit von 23 Prozent (1933) auf 11,2 Prozent (1937) – ein selbsttragender Wirtschaftsaufschwung kam jedoch nicht zustande. Als die Staatsausgaben, in Keynes Theorie eigentlich nur als Initialzündung für eine Belebung der privaten Wirtschaftstätigkeit gedacht, 1937 gekürzt wurden, war sofort ein rezessiver Absturz die Folge, der sogar das Ausmaß von 1929 überstieg. Erst mit Kriegseintritt 1941 konnte die Roosevelt-Regierung das Ziel der Vollbeschäftigung erreichen. Auch die USA konnten angesichts gewaltiger Aufblähung der Dollar-Emmissionen ihre Währung nur deswegen materiell sichern, weil sie praktisch sämtliche Goldvorräte der Welt im Gegenzug für Kriegslieferungen in ihren Besitz gebracht hatten.
Nixons Gold-Putsch
Dass Nazi-Deutschland mit der Suspendierung der Goldbindung der Reichsmark den auch aus anderen Gründen angestrebten Krieg unvermeidlich gemacht hatte, war ein Grund für die währungspolitische Revision in den internationalen Beziehungen nach 1945. Im Abkommen von Bretton Woods legten die Westalliierten fest, dass das Gold seine Rolle als Anker des Papiergeldes zurückerhalten sollte. Nicht jede Währung, wohl aber der Dollar als Weltgeld wurde auf Goldkonvertibilität umgestellt.
Dies änderte sich, als US-Präsident Richard Nixon am 15. August 1971 praktisch über Nacht, ohne jede Konsultation mit anderen Regierungen, die Goldbindung des Dollars aufhob. Hintergrund war die enorme Staatsverschuldung, die sich im Zuge des Vietnamkrieges eingestellt hatte.
Für die USA hatte der Währungsschnitt Nixons den riesigen Vorteil, dass sie nunmehr ohne Rücksicht auf die Deckung durch eigene Goldvorhaben Dollars drucken und mit diesen wertmäßig nicht gesicherten Papierchen in der ganzen Welt auf Einkaufstour gehen konnten. Die anderen Staaten konnten sich einen Ausstieg aus dem Greenback nicht leisten, da Washington in Geheimabkommen mit der OPEC-Führungsmacht Saudi-Arabien sichergestellt hatten, dass Ölkäufe nur auf Dollarbasis getätigt werden durften. Das verhinderte, dass die imperialistischen Konkurrenten die US-Währung abstießen und Energieimporte mit ihren eigenen Währungen bezahlen konnten.
Geld ohne Deckung
Die Suspendierung der Goldbindung ermöglichte eine schrankenlose Ausweitung der Dollarmenge. Bereits Mitte der neunziger Jahre war nur noch jeder sechste umlaufende Greenback durch Wertproduktion gedeckt. Nach dem Kollaps des Neuen Marktes und dem 11. September 2001 verschärfte sich das Problem weiter: In den folgenden vier Jahren hat die Federal Reserve mehr Dollars in den Umlauf gebracht haben als in der gesamten 200-jährigen US-Währungsgeschichte zuvor. Im Herbst 2005 wurde überdies in den USA dekretiert, dass das Geldmengenwachstum nicht mehr statistisch erfasst wird. Es soll offensichtlich niemand merken, was da eigentlich vor sich geht.
Parallel sind die USA zu einer Schuldnernation geworden: Bereits im Sommer 2001 betrug ihre Nettoauslandsverschuldung 3,5 Billionen, also 3 500 Milliarden Dollar. Das entspricht 35 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung des Landes. Zum Vergleich: Als die DDR 1989 bankrott schien, lag ihre Auslandsverschuldung bei etwa 16 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung. Keine westliche Bank hätte dem SED-Staat noch ein Darlehen gegeben. Im Falle der USA ist das anders: Milliardäre und Zentralbanker auf allen Kontinenten kaufen US-Staatspapiere und kreditieren damit den weltgrößten Schuldner. Tag für Tag fließen etwa drei Milliarden Dollar netto vom Ausland in die USA. Was macht die Anleger so sicher, dass sie ihr Geld zurückbekommen?
Was verrückt scheint, hat einen plausiblen Grund: Die US-Regierung kann, anders als die Regierung jedes anderen Schuldnerstaates, den Anlegern versprechen, jedermann jederzeit und an jedem Ort mit militärischer Gewalt zu zwingen, die an sich wertlosen dollarnominierten Papierschnipsel in Waren einzutauschen. Dass sie ein Land wie Irak, wo die zweitgrößten Ölvorkommen weltweit vermutet werden, unter ihre Kontrolle bekam, verschaffte ihr an den internationalen Kreditmärkten Bonität. Je instabiler umgekehrt die Lage in Bagdad wird, um so nervöser reagieren die Dollar-Gläubiger.
Der schlimmste Fall würde eintreten, wenn große Ölförderländer aus der Rechnungslegung in Dollar ausstiegen. Dass Saddam Hussein damit drohte oder aktuell der iranische Präsident Ahmadinedschad, war und ist für die USA ein Casus belli.
Je tiefer die USA in die roten Zahlen versinken und je offensichtlicher der Papiergeld-Schwindel wird, um so verzweifelter müssen die USA versuchen, ihre ökonomischen Nachteile durch militärische Erfolge wettzumachen. Die Flucht der Ölproduzenten wie der Ölimporteure aus dem Dollar lässt sich aber nur verhindern, indem sich die USA die wichtigsten Erzeugerländer unterwerfen. Das sieht nach Ölkrieg aus, ist aber eine Weltwährungsschlacht.
Natürlich wird diese Wahnsinnsstrategie auf lange Sicht nicht aufgehen können. Der Dollar wird kollabieren, das amerikanische Zeitalter zum Ende kommen. Zur Vorsorge für diesen Fall ist die Bundesbank gut beraten, ihr Gold aus Manhattan möglichst schnell zurückzuholen.

Mehr zum Thema: Jürgen Elsässer, Angriff der Heuschrecken. Zerstörung der Nationen und globaler Krieg (Pahl-Rugenstein)

Freitag, 6. Juni 2008

SPD stürzt in Umfrage erstmals unter 20 Prozent



Foto: Dpa
Die SPD ist in der Gunst der deutschen Wähler auf ein noch nie da gewesenes Tief eingebrochen. Die wöchentliche Forsa-Umfrage für RTL und die Zeitschrift "Stern" sieht die Sozialdemokraten nur noch bei zwanzig Prozent. Im Vergleich zur Vorwoche ist das ein Verlust von drei Prozentpunkten. Damit liegt die SPD nur noch fünf Punkte vor der Linkspartei, in der zahlreiche unzufriedene Ex-SPDler eine neue politische Heimat gefunden haben. Von der FDP trennen die Sozialdemokraten noch sieben Prozentpunkte. Es ist der niedrigste Wert, den Forsa jemals für die SPD ermittelt hat.CDU und CSU liegen in dieser Woche leicht verbessert bei 36 Prozent. Auch die Oppositionsparteien konnten sich verbessern: Die Linkspartei kletterte auf 15 Prozent (ein Punkt Zugewinn), ihren bislang höchsten Wert. Die FDP gewann ebenfalls einen Punkt hinzu und kommt nun auf 13 Prozent, die Grünen erreichen 12 Prozent und liegen damit ebenfalls leicht im Plus.
Vor allem Männer sprechen sich bei ihren Wahlabsichten nur noch selten für die SPD aus. 17 Prozent von ihnen gaben an, sie wollten sozialdemokratisch wählen, genau so viele entschieden sich für die Linkspartei. Die FDP liegt in dieser Bevölkerungsgruppe bei 16 Prozent, die Union bei 34 und die Grünen bei elf Prozent.
Forsa-Chef Manfred Güllner nannte den SPD-Wert einen „bis jetzt nicht für möglich gehaltenen Tiefpunkt“. Geschadet hat der Partei nach seiner Einschätzung unter anderem die Ankündigung ihrer Präsidentschafts-Kandidatin Gesine Schwan, um die Stimmen der Linken werben zu wollen. Viele Wähler fürchteten, dass entgegen allen Beteuerungen von Parteichef Kurt Beck mit ihrer Kandidatur ein Signal für ein bundesweites Zusammengehen mit der Linkspartei gegeben werde, so Güllner.